Freitag, 15. Dezember 2017

Tatzeit: vor 20 Jahren, Tatort: Überall in Deutschland

Ich bin heuer über den Film "Der unbekannte Soldat" gestolpert.

Die Dokumentation berichtet über die beiden Wehrmachtsausstellungen, die 1995-1999 und 2001-2004 stattgefunden haben, über die geschichtlichen Hintergründe und über die Kontroversen, von denen die Ausstellungen begleitet waren.

Der Film sei jedem ans Herz gelegt und ist, ehrlich gesagt, passagenweise schwer erträglich. Wegen der gezeigten Original-Aufnahmen, vor allem aber wegen der diversen AUftritte von Alt- und Neu-Nazis, die die Ausstellung begleiteteten.

Eines ist mir dabei aufgefallen: Die Bilder der Demos sind teilweise um die 20 Jahre alt, ähneln aber den Pegoda/AfD-Aufläufen von heute frappierend.

Damals wie heute war das Credo: Mit der Presse wird nicht geredet. Die Marschierenden skandieren "Die Presse lügt!", auskunftswillige Demoteilnehmer werden von aggressiven "Ordnern" mit charakteristischem Scheitel an Interviews gehindert. Die Kameras der Dokumentarfilmer werden unvermittelt beiseite geschlagen, deutlich alkoholisierte Skinheads mit sächsischen Dialekt pöbeln die Journalisten voll. Heute wie damals dieselbe Gemengelage: Aggressive Jungnazis, geschniegelte Funktionäre, tumbe, zahnlose Nazi-Prolls und alte, unzufrieden dreinschauende Männer in Windjacken oder Trachtenjankern. Zwischendrin die ein oder andere versprengte Dame um die 50, Typ "Hausfrau mit Schoßhund", die meint, das Andenken ihres Großvaters retten zu müssen.

Die Demos damals wurden von NPD und Republikanern, flankiert von "Vertriebenenverbänden" und den üblichen Verdächtigen aus der reaktionären Revisionisten-Ecke.
Was ich damit sagen will: Die Bilder, die Parolen und das Gebahren damals und heute ähneln sich frappierend, obwohl es damals noch kein Merkel-Feindbild gab. Der einzige Unterschied: Damals marschierten da lupenreine Nazis. Heute marschieren Bürger, die von sich behaupten, keine Nazis zu sein.

Noch gruseliger freilich waren die diversen Ausschnitte aus Nazi-Wochenschauen, in denen über "das Judentum" hergezogen wurde als "Schädlinge", die sich "tief in die deutsche Kultur eingegraben hätten, um diese zu zersetzen". Genau in demselben abfälligen, hetzerischen Duktus, mit dem der in die Breite gegangene rechte Rand des Bürgertums heute über Moslems herzieht.

Wie heißt es so schön: If something looks like a duck, walks like a duck, and talks like a duck, chances are pretty good it is a duck.

Was nur so gar nicht ins Bild des deutschen Herrenmenschen passt: Dieses ständige Stilisieren als Opfer.
Die blonden, blauäugigen Front-Kämpfer des Dritten Reichs, die grinsend vor Massengräbern posieren: Opfer. Pegida-Marschierer, AfD-Mitglieder, Reichsbürger: Opfer. Schuld sind natürlich immer "die andern".

Wenn man  nicht wüßte, dass das alles Masche ist, müßte man sich wirklich fragen, was diese jämmerlichen, vom ungerechten Schicksal gebeutelten, von bösen Einflüsterungen fehlgeleiteten, von der Geschichten verkannten, eigentlich immer nur das Beste wollenden Unglückswürmer mit dem eigenen Heldenmythos von stolzen Patrioten gemein haben sollen.


Mittwoch, 29. November 2017

Tatzeit 28.11.2017, Tatort: Pressekonferenz "Diesel-Gipfel"

Aufgefallen: Von den anwesenden Politikern aller Couleur war es ausgerechnet der Grüne Fritz Kuhn, der angesichts der Thematik "Dieselabgase verpesten deutsche Innenstädte" und "deutsche Autoindustrie macht gar nix dagegen und verarscht Verbraucher" permanent vom Wohlergehen der Wirtschaft redete. Der davon faselte, dass der Staat nun Kaufanreize schaffen muss, damit sich die Menschen Autos mit besserer Diesel-Technologie kaufen, damit die Luft in den Städten wieder besser wird.

Zu deutsch: Statt der Autoindustrie ordentlich in den Arsch zu treten, wie das sogar die USA vorgemacht haben, werden Steuergelder in Milliardenhöhe aufgewendet, um damit u.a. Auto-Käufe zu subventionieren. Also statt der Autoindustrie mal tief in die Tasche zu langen, um die Autos zwangszuverbessern, die die Menschen dieses Landes bereits in gutem Glauben teuer gekauft haben, füllen wir den Autobauern stattdessen die Taschen mit Steuergeldern. Und Schuld an der miesen Luft der Innenstädte ist somit der Verbraucher, schließlich könnte der sich ja mal ein besseres und damit vermeintlich saubereres Fahrzeug zulegen.

Und das von einem Grünen, Oberbürgermeister Stuttgarts hin oder her. Wenn es je Zweifel an der Käuflichkeit moralischen Flexibilität der Grünen gab: Jetzt nicht mehr.
Da hat sogar Münchens SPD-OB Dieter Reiter deutlichere Worte gefunden, und das, obwohl BMW seinen Dienstwagen sponsert.

Dienstag, 21. November 2017

Tatort: Fernsehen, Tatzeit: immer

Ich ärger mich gerade über die ARD.

Mag sein, dass der "Brennpunkt" zum Jamaika-Scheitern heute sein mußte. Ob' s den Plasberg dazu auch noch gebraucht hätte, darüber läßt sich streiten.

Das Ätzende ist, dass das Programmherumgeschiebe dazu geführt hat, dass mal wieder eine wichtige Reportage auf 23:45 Uhr rutscht, "Der Wohlstandsreport". Und das nur, damit eine völlig überflüssige Lobhudelei zu 50.Geburtstag von Boris Becker noch davor versendet wird. Als wenn es über den Mann noch etwas zu versenden gäbe, dass noch nicht tausendfach in irgendeiner Boulevardzeitung stand.

Nun ja, "Der Wohlstandsreport" ist mal wieder eine aus Sicht der Regierung unbequeme Reportage, zeigt sie doch die aktuelle, wenig glorreiche Vermögenssituation in Deutschland. Die ist allerdings alles andere as neu: Alle zu Wort kommenden Experten warnen vor der auch 2017 weiter aufgehenden Schere zwischen Arm und Reich, bis auf den Chef des (Überraschung!) ifo Instituts, Clemens Fuest, der dann auch direkt mal den Untergang Deutschlands prophezeit, wollte man Vermögen stärker besteuern.
Spannend waren die Stellungnahmen des Vereins Grundeinkommen e.V. und von Reichen, die für sich mehr Steuern und für andere ein Grundeinkommen fordern. Entlarvend war der Wortbeitrag eines Lausitzer Mittelständlers, nachdem die Wahl der AfD quasi als eine Art Verzweiflungstat gelten muss, weil sich die Bürger der ausgebluteten Ost-Gebiete davon eine wie auch immer geartete Besserung ihrer Verhältnisse erhoffen, und sei es auf Kosten Dritter.

Ein Wort noch zu Herrn Fuest. Dessen Aussagen im Report sind wenig überraschend, ist er doch, wenn man seinem Wikipedia-Profil glauben will, ein Anhänger Hayeks, findet sich sein Name doch immer wieder im nahen Umfeld des "neokonservativen" Mont-Pelerin-Netzwerk.
Wer wissen möchte, was das nun wieder ist: Das ist meiner bescheidenen Meinung nach genau die Weltverschwörung, nach der so viele Menschen immer Ausschau halten - die vermutlich (meinungs)mächtigste Lobbyorganisation der Gegenwart.
Mehr dazu hier.

Auch über Pro7 hab ich mich zuletzt kurz geärgert, obwohl das eigentlich Perlen vor die Säue ist.
Für irgendeinen halbgaren Beitrag irgendeines halbgaren TV-Magazins hieß es im Teaser "Immer wieder greifen Terroristen Flughäfen an." Es folgte ein Beitrag über Flughafen-Sicherheit.

Was mich ärgert ist, dass solche Sätze immer wieder unwidersprochen weggesendet werden und so ins kollektive Bewußtsein einsickern wie die restliche Terror-Hysterie.
Ich frage mich, wie viele Zuschauer sich in dem Moment tatsächlich gefragt haben, wann denn tatsächlich mal ein Flughafen von Terroristen attackiert wurde.
Mir ist spontan kein solcher Angriff eingefallen.
Also hab ich den Beitrag auf prosieben.de gesucht und bin bei Galileo fündig geworden. Und nicht nur das: Nachdem ich mir insgesamt 4 Mal zwangsweise den "Flatliners"-Trailer anschauen mußte, bin ich darauf gestoßen, dass derselbe Beitrag in abgewandeltem Schnitt schon einmal im Oktober 2016 lief. Ob das einer gemerkt hat?

Nach etwas mehr Recherche ist klar: Natürlich hat es Anschläge auf, besser vielleicht an Flughäfen gegeben, so wie an allen möglichen anderen Orten auch. Im Vergleich an Flughäfen sogar seltener, was aus Sicht eines Terroristen logisch ist, da Flughäfen mit ihrer Überwachungsstruktur für Attentate eher nicht so Erfolg versprechend sind.
Mich ärgert aber einfach der plakativ vorgetragene Satz, s.o. Vermutlich hat sich der Redakteur bei der Anmoderation nicht mal irgendwas gedacht, ging es doch einfach nur darum, mögichst viel Interesse für einen weitgehend irrelevanten, recyclten Beitrag zu wecken. Diese Art Gedankenlosigkeit aus Marketinggründen ist aber eigentlich noch schlimmer, denn die Haltung oder besser Anti-Haltung, die dahintersteht, sagt doch: Scheißegal, was meine Worte anrichten, Hauptsache, ich hab mein Produkt verkauft. U.a. genau diese Einstellung hat mir die Werbewelt auf Dauer verleidet.

Mehr zum Mythos "Internationaler Terrorismus" hier.

Montag, 16. Oktober 2017

Tatzeit: 14.10.2017, Tatort: Somalia

Na, heute morgen schon jemand sein Facebook-Foto hellblau eingefärbt?

Wieso, fragt ihr?

Na, weil man das doch heutzutage so macht, wenn man ein politisches Statement abgeben will, bzw. Solidarität zeigen will, als "Flagge zeigen", im wahrsten Sinne des Wortes, ohne sich dabei allzusehr engagieren zu müssen.

Wieso hellblau, fragt ihr?

Na, weil das die Flagge von Somalia ist.

Wieso Somalia, fragt ihr?

Na, weil sich da vorgestern einen Selbstmordattentäter in einem Lkw in die Luft gesprengt hat und dabei 231 Menschen ums Leben gekommen sind. Hat keiner mitbekommen? Na sowas aber auch.
Ob das wohl daran liegt, dass es keine Eilmeldungen, Live-Schaltungen und spekulative Studiodiskussionen mit "Terror-Experten" auf sämtlichen Sendern gab*?

Und wieso jetzt nochmal das Facebook-Foto einfärben?

Ja genau, wieso eigentlich? Die "da unten" sterben doch sowieso dauernd. Wenn "die" nicht grade an Ebola sterben oder verhungern oder im Mittelmeer ersaufen, schlagen sie sich doch ohnehin dauernd die Köpfe ein. Da wäre doch das recht euphemistisch als "Mitgefühl" deklarierte Einfärben eines Fotos doch reine Zeitverschwendung. Und da sterben ja dann auch gleich  immer so viele! Die machen das doch mit Absicht, die "da unten".
Wenn es nach denen ginge, könnte man ja gleich jeden Tag sein Profilfoto neu einfärben. So!

Nöööööö. Die immense Solidaritätsbekundung, die mit dem beflaggten Profilfoto einhergeht, heben wir uns mal schön für "unsere" Terroranschläge und "unsere" Toten auf. Man muss schon aufpassen, für wen man heutzutage Partei ergreift.

Nicht wahr?
.
..
...
....wie auch immer: Wer also heute mal so richtig was für den Weltfrieden tun möchte oder etwas, das die Lebensbedingungen in Afrika wirklich nachhaltig verbessert, oder auch etwas, das den Trauernden so richtig dolle Trost spendet, der hinterlege sein Profilbild heute mit der somalischen Flagge. Da wird das Karma mal so richtig "geboostet", und man kann mit dem guten Gefühl zu Bett gehen, heute der Weltgemeinschaft mal so richtig gezeigt zu haben, wo der Hammer hängt.


*) Die gestrige "Tagesschau" von 20:00 Uhr zum Beispiel beschäftigte sich knappe 11 der 15minütigen Sendezeit mit der Landtagswahl in Niedersachsen (so als wäre dieser in der gestrigen Berichterstattung zu kurz gekommen). Dem Anschlag in Somalia wurden ganze 30 Sekunden gewidmet, genau so lange wie der nachfolgende Beitrag über den Friedenspreis der Frankfurter Buchmesse.
Zum Vergleich: Beim Attentat von Las Vegas mit 52 Toten zwei Wochen zuvor lief der zugehörige Beitrag in der abendlichen Tagesschau als Aufmacher der Sendung, Dauer: 2 min 30, inclusive Kommentar vom Korrespondenten und einen Hinweis auf eine im Anschluss laufenden Sondersendung zum Thema.

Montag, 18. September 2017

Tatzeit: 24.09.17, Tatort: Deutschland

Der als sicher geltende Einzug der AfD in den Bundestag ist eine nationale Schande.

Anders kann man das nicht sagen.

Eine Partei, die Stimmung macht mit Ängsten und mit Hass, eine Partei, die mit ihrer Politik die Spaltung der Gesellschaft vorantreibt,
eine Partei, die die Schwächsten in einer Gesellschaft gegeneinander in Stellung bringt,
eine Partei, deren Spitzenpersonal sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit als mißverstandene Opfer geriert,
eine Partei, die immer wieder mit nationalsozialitischer und rassistischer Symbolik und Semantik kokettiert,
eine Partei, die auf die Fragen von morgen nur Antworten von vorgestern zu bieten hat,
eine Partei, deren Wahlprogramm die Lebensrealität ihres eigenen Spitzenpersonals konterkariert,
die trotz Wahlprogramm eigentlich nur ein einziges Thema zu bieten hat

kann keine Alternative für Deutschland sein.

Die AfD hat sich nicht die Verbesserung der Lebenssituation der Bundesbürger auf die Fahne geschriben, sondern zuallererst einmal die Verschlechterung der Lebenssituation einiger Teile der Gesellschaft. Trump läßt grüßen.

Welchem "abgehängten", durch die "Wende" oder durch den Anblick eines Schwarzafrikaners traumatisierten, ostdeutschen Rentners oder Hartzers wird es besser gehen, wenn nach dem Willen der AfD die Grenzen dichtgemacht werden, die Atomkraftwerke wieder in Betrieb genommen werden, Schwule nicht mehr heiraten dürfen und die D-Mark wieder eingeführt wird?

Ich sag's euch: Keinem einzigen. Keinem einzigen AfD-Wähler aus der "Unterschicht" wird es dadurch besser gehen, keiner wird danach glücklicher oder reicher sein oder objektiv sicherer sein als vorher. Und denen aus der Mittelschicht wohl auch nicht.

Im Gegenteil. Die Spielart des kapitalistischen Egoismus, in dem es ausschließlich "zuerst ich, und was dann noch übrig ist, bekommen eventuell die anderen" heißt, fügt die AfD noch ein "..., wenn sie sich gut benehmen, nicht aufmucken und für die Almosen auch schön dankbar sind" hinzu.
Dieses Denken hat aber erst zu den Problemen geführt, denen wir heute gegenüberstehen: Klimawandel, Umweltzerstörung, Rohstoffkriege, religiöser Fundamentalismus, Massenarmut, Migrationsströme, Finanzkrise, mediale Reizüberflutung bis hin zu der Erkenntnis, dass die Kinder der westlichen Zivilisation ohne Google kein Ei mehr gekocht bekommen.

Was soll's. Die Mehrzahl der Deutschen hat schon immer gegen die eigenen Interessen gewählt, geschweige denn im Sinne eines gesellschaftlichen Zusammenhalts. Die Deutschen wählen traditionell nach dem, was vom Widerhall ihrer persönlichen Echokammer noch als "Bauchgefühl" in ihrer unteren Körperregion ankommt. Man könnte auch sagen, die Deutschen wählen vom Arsch her.
Daran wird dieser Blog hier leider auch nichts ändern.

Freitag, 1. September 2017

Tatzeit: 30.0817, Tatort: Kulmbach

Guttenberg ist zurück.

Ich könnte im Strahl kotzen.

Was für ein schönes Beispiel für die Verführbarkeit des Menschen. In einem Deutschland, das sich bis heute verwundert fragt, wie es dazu kommen konnte, dass beinah ein ganzes Land kollektiv der Nazi-Ideologie samt Judenhass und Kriegslüsternheit hinterherrannte und die Augen vor der Realität verschloss, schafft es der feuchte Traum aller Schwiegermütter mit einem einzigen Auftrit wieder zurück auf die politische Bühne. Und alle himmeln ihn an.

Ich könnte im Strahl kotzen.

Natürlich: Er sieht gut aus, hat eine hübsche Frau, reizende Kinder, ist adlig (was wohl schon ausreicht, sämtliche Wählerstimmen des bürgerlichen, weiblichen Spektrums ab 35 abzugreifen).
Dazu ist er ein guter Rhetoriker, kann überzeugend und frei sprechen und geizt auch nicht mit markigen Sprüchen. Damit hätte er den männlichen Rest der bürgerlichen Mitte im Sack.

Und noch dazu war er mal ganz oben, ist dann gestürzt (was viele damals schon nicht verstehen wollten) und kehrt jetzt geläutert und reumütig in den Schoß der CSU zurück.

SEUFZ!!! WAS FÜR EIN MANN!!!! IST ER NICHT NIIIIIIEDLICH?????

Guttenberg hat das Zeug zu einem Bilderbuch-Demagogen und Populisten. Alles, was ihn noch während seiner Amtszeit als Verteidigungsminister und potentieller Bundeskanzler unsympathisch machte: seine Gelfrisur, sein ewiges Posen, sein Doktortitel, seine x adligen Vornamen - dies alles hat er abgelegt.
Er ist jetzt "KT", in allen Medien - würde mich mal interessieren, welcher PR-Agentur er das zu verdanken hat.

Der Mann kann uns alles verkaufen, und deswegen lieben ihn die Wirtschaft, die BILD-Zeitung und der Politikklüngel.
Kriegseinsätze, Waffendeals, Rentenkürzung, Grenzen dichtmachen, mehr Überwachung, Lama-Decken, Überfall auf Polen - kein Thema ist denkbar, das uns der Distelritter nicht schmackhaft machen könnte.

Wie mich das alles schon wieder ankotzt. Diese Speichelleckerei, dieses Hofieren, bis hin zum "kleinen Mann", der sich von der glitzernden Verpackung der Guttenbergs ablenken läßt.

Guttenberg ist mit einem silbernen Löffel im Mund geboren. Er ist stinkreich, bewegt sich seit Jahrzehnten in Kreisen stinkreicher, mächtiger Menschen, wurde vor Jahren schon heiß als Bundeskanzler gehandelt und auch jetzt, nach nur einem öffentlichen Auftritt,  erneut. Er betreibt seit Jahren Lobby-Arbeit für amerikanische Interessen in Europa. Man darf mutmaßen, dass der Mann sein ganzes Leben "gepampert, gepäppelt und hofiert" wurde.

Die Arroganz der Mächtigen und der Machthunger, die seine Person so deutlich durchdringen wie bei kaum einem anderen Politiker Deutschlands dieser Tage, verbirgt er hinter einer Maske der Bescheidenheit.
Sonderlich geschickt hat er sich dabei allerdings nicht mal angestellt. Schaut man genauer hin, war schon allein der Umgang mit seiner Plagiatsaffäre an Arroganz kaum zu überbieten. Bei seinem jetzigen Auftritt Kulmbach kokettierte er sogar damit und meinte, "jetzt ist auch mal irgendwann gut". Ein Satz, den man in Deutschland nur allzu gerne hört. Er habe zu dem alle Konsequenzen "ertragen". Schön, so eine weinerlich-selbstgerechte Selbsteinschätzung. Tapferer, tapferer Mann, "ertragen" hat er also sein hartes Los als überprivilegierter Jetset-Adelsschnösel.

Während und nach seiner Tätigkeit als Bundesminister hat er sich als hemmungsloser Lobbyist gezeigt, der ohne große Zurückhaltung die Interessen von Banken und (US-)Wirtschaft vertritt. Er befürwortet Kriegseinsätze und Aufrüstung und war gegen den Mindestlohn.
Und übrigens: Er war nie weg. Was jetzt als "Comeback" gehandelt wird, ist lediglich die Rcükkehr in die Öffentlichkeit. Die Person Guttenberg hat nie aufgehört, Strippen zu ziehen.

Was schon vor Jahren galt, gilt heute um so mehr: Guttenberg ist kein Anwalt der kleinen Leute und kein Freund des kleinen Mannes. Er hat nichts mit Otto Normalverbraucher gemein. Er hat immer nur die Interessen seiner "Kreise" vertreten, wußte dies in der breiten Öffentlichkeit lediglich gut zu verkaufen. Er hat dabei den Vorteil, finanziell unabhängig zu sein, er muss sich nicht verdächtig machen, es nach 4 Jahren Lobbyarbeit im Bundestag auf einen lukrativen Job in der Wirtschaft abgesehen zu haben. Solche Jobs hatte er schon als junger Mann.

Die Währung, in der Menschen wie Guttenberg bezahlt werden, heißt "Macht", bzw Zugang zu den Mächtigen.

Übrigens: Vor Publikum meinte er zuletzt, dass "wer sich straffällig gemacht hat, das Land zu verlassen habe". Soviel Selbstironie hätte ich ihm dann doch nicht zugetraut.

Aber was reg ich mich auf. Guttenberg bekommt doch längst schon wieder von allen die Rute poliert. Frankreich hat Macron, Kanada hat Trudeau, wir bekommen "KT". Oder den Lindner. Der ist ja auch wieder da, mit den selben ollen Kamellen, mit politisch ähnlichen Positionen wie Guttenberg -  Hauptsache smart und eloquent auftreten, angeblichen "Klartext" reden - reicht schon für die wunderbar-wandelbare Gunst des deutschen Wählers. Hallelujah.

Vielleicht kann der nächste Kanzler ja per "Bachelorette" gewählt werden. Merkel drückt einfach ihrem Wunsch-Beau eine Rose in die Hand - fertig. Live übertragen von RTL.

Dienstag, 8. August 2017

Tatzeit: 08.08.2017, Tatort: TV

Auf öffentlich-rechtlichen Phoenix lief soeben "Der VW Bus - ein Transporter für die Welt" , eine Lobhudelei für den ach so knuffig-kultigen VW-Bully.

Schon seltsam. VW hat gerade - mal wieder - gleich mehrere Skandale am Arsch. Allen voran natürlich der markenübergreifende Diesel-Beschiss. Konsequenzen für die umfassende Kunden-Millionen-Verarsche und Umweltverpesterei: Im "Autoland" Deutschland bisher kaum spürbar.

Wer hätte das gedacht?
Jetzt mal im Ernst: Wer hätte das gedacht? In einem Land, wo sich Politiker ihre Regierungserklärung von VW absegnen lassen, wohl niemand. Da prallt auch die widerliche Verstrickung von VW in die Machenschaften der brasilianischen Militärdiktatur an der Arroganz der VW-Granden ab. Aber auch das hat in Deutschland Methode, oder hatten die Verstrickungen von Daimler Benz in die Morde der argentinischen Junta irgendwelche nennenswerten Konsequenzen für die Autobauer?

Zurück zum TV. Schon ein merkwürdiger Zufall, dass ausgerechnet dann, wenn VW die Kacke bis zum Hals steht, irgendwelche harmlosen Dokus ausgestrahlt werden.
Schaun wir uns doch mal das Programm der nächsten zwei Wochen an.
Ebenfalls heute auf Phoenix: "Als die Autos noch klein waren", von Sender beworben mit dem Bild eines VW Käfers.
Ebenfalls heute, diesmal auf N24: "Meilensteine der Automobilgeschichte - Der Volkswagen Corrado G60".
Auf TV Berlin läuft wie auf ähnlichen Lokalsendern auch ein Automagazin. Auf der Webseite des Senders findet man nichts zu den aktuellen Themen des Magazins, dafür findet sich eine Besprechung des Abgas-Skandals aus dem Jahr 2015. Tenor: "Der Kunde ist selbst schuld".
Am 12.08. läuft auf Phoenix "Elektroautos - Top oder Flop?", wo man sich der Vorankündigung nach wohl recht kritisch mit Elektromobilität auseinandersetzt.
13. August, Tagesschau24: "Elektro-Autos gegen Arbeitsplätze - wer verliert?" Die Vorankündigung läßt auch hier nichts Gutes ahnen.
Dass das Reisemagazin "Anixe auf Reisen" am 12.08. ausgerechnet in die "Auto-Stadt Wolfsburg" führt, ist vermutlich auch purer Zufall.

Apropos Elektromobilität: Da wird ja gerade ordentlich gejammert, wieviele Stellen da verloren gehen werden, die Zukunft ist schwarz, pechschwarz. Allerdings nur in den Medien, die Otto Normalverbraucher konsumiert. Im Handelsblatt , sozialromantischer Panikmache eher unverdächtig, liest sich das ganz anders und um einiges rationaler. Bei auto.de ebenso.

Und guckt mal hier, ob ihr in dem Video all die durch Elektroautos gefährdeten Arbeitsplätze entdeckt:


Übrigens: In Kalifornien hat man VW im Rahmen des Diesel-Skandals dazu verdonnert, für 800 Mio Dollar Ladestationen für Elektroautos zu bauen.

Kann sich das jemand bei Alexander Dobrindt vorstellen?

Mittwoch, 26. Juli 2017

Fake News - Wake News - Make News!

Wie sagt man in Bayern so schön: Es kaast mich an.

Meint: Es nervt brutal.

Gibt es eigentlich Bereiche des öffentlichen Lebens, die nicht von Falschheit und Kommerz durchdrungen sind?
Gibt es noch Konzerne, die ehrlichen Herzens ihre Waren an den Mann bringen, ohne Leichen im Keller?
Gibt es noch Politiker, die willens und in der Lage sind, ehrliche Politik im Interesse des Souveräns zu machen, unabhängig von den Interessen der Wirtschaft, Medien, irrationalen Ängsten und Eigeninteressen?
Warum muss ich mich als Durchschnittsverbraucher in einem der reichsten Länder der Erde verbiegen, wenn ich meine Existenz auf diesem Planeten auch nur halbwegs so gestalten will, dass mein Dasein weder unsere Umwelt, noch andere Menschen irgendwo auf dem Globus beeinträchtigt?
Warum lassen wir uns von der NATO diktieren, dass wir aufrüsten müssen, von der OECD, was unsere Kinder lernen sollen, von der Werbung, wie wir zu leben haben, und von BILD und AFD, wovor wir uns fürchten müssen?
Warum müssen wir uns in diesem scheiß-reichen Land überhaupt Gedanken um Altersarmut, Pflegenotstand, Privatisierung von medizinischer Versorgung, Straßen und Trinkwasser machen?

Wir wissen heute um all die kleinen und großen Schweinereien, die sich deutsche Konzerne und die deutsche Politik überall auf der Welt und in Deutschland geleistet haben. Wir wissen um das zerstörerische Treiben unregulierter Finanzmärkte, wir wissen um Waffenlieferungen an Regime und Diktaturen, wir kennen die viele Details all der Abgas-, Folter-, Gammelfleisch-, Bestechungs-, Steuerhinterziehungs-, Geheimdienst-, Atommüll-, Polizei- und Bundeswehr-Skandale, wir wissen um V-Leute, Agents Provocateur und politische Morde. Wir wissen um die miese Kriegsbeteiligung im Jugoslawien-Konflikt, wir wissen um den miesen Flüchtlings-Deal mit der Türkei, wir wissen Bescheid über den vertuschten Massen-Kindesmißbrauch in der Kirche, die massenhafte, anlasslose Überwachung aller Bürger, und , und, und.

Und es passiert: Nichts. Die FDP ist wieder da. Uli Hoeneß ist wieder da. Guttenberg ist wieder da. Die CSU ist immer noch da, die Kirche auch. Deutsche Autobauer verarschen ihre Kunden in Mafia-Manier, und die Politik schaut zu. Verfassungsschutz und BND bekommen regelmäßig mehr Befugnisse zugeschustert, ohne dass ein erkennbarer Nutzen den Verlust an Freiheit aufwiegen würde. Als in Bayern Lebender muss ich mir neuerdings Gedanken machen, ob diese Zeilen nicht schon ausreichen, mich in den Augen eines paranoiden Sicherheits-Masochisten zu einem "Gefährder" (was immer das ist) stempeln, den man im hiesigen Bundesland seit neustem auf unbestimmte Zeit und ohne Gerichtsurteil wegsperren kann. Wer das wiederum paranoid findet: Während des Papstbesuchs 2010 wurden in Großbritannien sechs Mitarbeiter der Straßenreinigung kurzzeitig weggesperrt, weil sie sich einen Papst-Witz erzählt hatten.

Warum zum Kuckuck lassen wir uns das alles gefallen? Wir sind so ziemlich die letzte Generation, die noch mit Begriffen wie "Solidarität", "Klassenkampf" oder "Friedensbewegung" etwas anfangen kann. Wir sind die letzte Generation, die noch ein anderes Gesellschaftssystem kennengelernt hat. Wir sind die letzten, die gelernt haben, dass der der Kapitalismus nicht alternativlos ist, dass die unsichtbare, weil nicht-existente "Hand des Marktes" nicht gerechtigkeitsstiftend ist, dass Gewerkschaften kein nutzloser Anachronismus sind und dass es keinesfalls eine Vermessenheit darstellt, wenn man als Austausch für seine Arbeitskraft ein angemessenes Einkommen erwartet.

Das mindeste, was wir tun können, wenn wir sonst den Arsch schon nicht hochbekommen: Wir müssen unsere Kinder lehren, dass der einzige relevante Krieg, der in unseren Gesellschaften ausgetragen wird, nicht zwischen Nord und Süd, China und USA, Pepsi und Coca Cola, Hartz4-Empfänger und Flüchtling, Moslems und Christen ausgefochten wird, sondern einzig und allein zwischen arm und reich. Dafür braucht es keine Weltverschwörung oder Illuminaten. Dieser Krieg vollzieht sich tagtäglich vor aller Augen und doch ganz im Stillen.

Zitat Warren Buffett: “There’s class warfare, all right, but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning.”




So wie Georg Schramm zum Schluss fühle auch ich mich ab und an.

Dienstag, 18. Juli 2017

Tatzeit: 15.072017, Tatort: Themar

Also nur um es nochmal zusammenzufassen: Zum G20-Gipfel ist die Polizei mit massiver Gewalt eingeschritten, weil es unter den bis dahin friedlichen Demonstranten Vermummte gab, und die Staatsmacht meinte, sie müsse hier Recht und Gesetz durchsetzen. Obwohl es hinsichtlich Vermummung durchaus einen Ermessensspielraum gibt.
Die folgende Polizeiaktion könnte zur Eskalation der Gewalt beigetragen haben.

Am Wochenende nun haben hunderte Neonazis in Themar bei einer "Versammlung" den Hitlergruß gezeigt. Der anwesenden Polizei ist angeblich nichts aufgefallen.

Erwähnen sollte man vielleicht noch, dass das Zeigen des Hitlergrußes potentiell mit einem höheren Strafmaß bewehrt ist als die Vermummung.

Erwähnen sollte man auch noch, dass die Polizei jeweils die Aktionen in Hamburg und Themar als Erfolge wertet.

Die Verhältnisse sollte man evtl auch noch nennen: In Themar standen 6000 Rechten 1000 Polizisten gegenüber. In Hamburg waren es angeblich ca 20.000 Polizisten, denen angeblich 8000 gewaltbereite Autonome hätten entgegenstehen sollen - trotz langem Suchen waren keine verläßlichen Zahlen auffindbar, wieviele Menschen genau auf beiden Seiten standen.

Nach den Ereignissen in Themar kann man nun drei Vermutungen aufstellen.
Nr.1: Die Polizei hat tatsächlich nichts gesehen - dann ist sie aber unfähig, denn wo haben die x hundert Polizisten hingeschaut, während die Großveranstaltung lief?
Nr.2: Die Polizei hat es gesehen, hat aber aus Ignoranz, Feigheit oder Faulheit nicht eingegriffen - dann ist sie handlungsunfähig bzw.-unwillig, was noch besorgniserregender ist.
Nr.3: Die Polizei wollte nichts sehen, weil das rechte Auge mal wieder spontan erblindet war. Das wäre wohl die schlimmste Option, denn das würde bedeuten, dass 1000 Polizisten entweder selbst rechts vom Grundgesetz stehen oder zumindest rechte Dienstkollegen decken.

Rosige Aussichten, wie man's auch dreht und wendet. Dazu passen denn auch die Meldung hier , die hier auch. Denken wir nun noch daran, dass die Herren Maas und DeMaiziere gerade fleißig weiter am Polizei-Überwachungsstaat basteln und dafür auch Polizeibefugnisse im großen Stil ausweiten, zu Lasten von Bürgerrechten.

Wie wird dann das Deutschland von morgen aussehen? Überkommt uns angesichts einer Polizei, die uns ohne Verdacht einer Straftat rundherum überwachen darf, dabei auch mal willkürlich handelt und tendentiell rechtem Gedankengut zugeneigt ist, wirklich ein erhöhtes Sicherheitsgefühl?
Ehrlich jetzt?

Montag, 6. Februar 2017

Tatzeit: die Ära Trump, Tatort: Germany

Eine kleine Übung in Schizophrenie:

Liebe AfD-Sympathisanten und Patrioten*,

sind wir uns eigentlich einig, dass Trump ein pathologischer Lügner, Narzist und Penthouse-Faschist ist, dem es zuzutrauen ist, dem eigenen Ego und der Profitgier amerikanischer Banken und Konzerne sämtliche gesellschaftlichen Werte, den Weltfrieden und wenn es sein müßte, die Welt als Ganzes zu opfern**?

Nein?

Dann können wir uns vielleicht zumindest darauf einigen, dass Trump mit seiner US-zentrierten Wirtschaftspolitik potentiell deutsche Arbeitsplätze gefährdet? Okay?

Das müßte ihn doch aus Sicht eines deutschen Patrioten zum Feind Deutschlands machen, richtig?

Und seid ihr nicht sowieso der Meinung, dass amerikanische Banken (die Trump gerade wieder von der Kette läßt) ohnehin die deutsche Politik fremdsteuern? Und das ist bäh-bäh, gell?

Nun: "Eure" AfD, die Partei, die ihr euch zur Vertretung eurer Interessen ausgeguckt habt, findet Trump prima. Genau wie ihre rechten Kumpel-Parteien im Rest Europas.***
Weil Trump das macht, was sie auch gern tun würden: Mauer um die eigene Nation, um das Böse draußen zu halten (hey, ehemalige DDR-Bürger: Da werden schöne Erinnerungen wach, oder?), überhaupt die Welt in gute und böse Menschen einteilen, dann Waffen an die Guten verteilen, damit die ihr "wir zuerst" gegen die Bösen durchsetzen können. Und dann dabei irgendwie reich werden.****
Offiziell natürlich nur, weil beide ein gemeinsames Feindbild haben: Flüchtlinge und Moslems*****. Der Rest der weitgehend menschenverachtenden, antisozialen Ideologie fällt unter den Tisch. Darin haben die Rechten ja Übung. Ich sag nur "Autobahn".

Also, wie jetzt: Trump Scheiße finden, aber trotzdem die Partei gut finden, die Trump richtig gut findet? Macht das Sinn? Liegt es da nicht nahe, sich mit der AfD erst recht jemanden einzutreten, der unser lieb Vaterland an die USA verscherbelt? "Deutschland zuerst" und "America first" können schlecht gleichberechtigt koexistieren, oder? Sind da nicht zumindest Zweifel angebracht?
By the way: Marine Le Pen, politische Freundin von Frauke Petry und AfD, ist gerade mit "le premier France" ("Frankreich zuerst") in den Wahlkampf gestartet.

Neuer Blickwinkel: Letztens hat die Spaß-Guerilla der Lügenpresse, alias "heute show", einen "Reporter" zum "interviewen" einiger Trump-Unterstützer nach Washington geschickt, welche sich pflichtschuldigst mit nahezu pegidistischer Inbrust zu wilden Aussagen hinreißen ließen: Die Amerikaner hätten es satt, dass die Deutschen sie um Essen anbetteln, hieß es da zum Beispiel. Einer war davon überzeugt, dass sich in den wörtlich "heiligen Springbrunnen des Schwabenlandes" Flüchtlinge waschen.

Lustig, oder? Die doofen Amis wieder... Habt ihr auch so über den Grad an Dummheit Bildungsnotstand Desinformation gelacht?

Nein, nicht wirklich. Denn die Knalltüten waren von ihrer Version der Wahrheit genau so überzeugt wie ihre deutschen Pendants, ob sie sich nun Wutbürger, besorgte Bürger, Reichsbürger oder sonstwie nennen. Übrigens: Alle miteinander waren sich einig, dass die Presse ohnehin nur Lügen über die USA im allgemeinen und den lieben Trump im besonderen verbreitet.

Wer von euch Nasen die Sendung gesehen hat: Ihr habt keine "doofen Amis" gesehen. Ihr habt in den Spiegel geguckt.

Blickwinkel Nr 3: Wie sicher seid ihr euch, dass Deutschland von einer hegemonialen, nationalistischen Welt bzw. von einem hegemonialen, nationalistischen Europa profitieren wird? In einer Welt, in der die Staaten sich gegeneinander abgrenzen, internationale Vereinbarungen aufkündigen und fremdenfeindliche Klischees bemühen, ist in so einer Welt der wirtschaftlich und politisch dominante"Exportweltmeister" Deutschland von heute denkbar?
Wie wird sich Deutschland als Exportnation in den prognostizierten Wirtschaftskriegen wohl besser schlagen: Als prägendes Mitglied in der EU, dem größten Binnenmarkt der Welt, oder als Einzelkämpfer? Sollte man in einer Zeit, in der es erforderlich ist, halbwegs geeint und selbstbewußt zusammenzustehen, eine Partei unterstützen, die eine separatistische Politik verfolgt?

Herzlichst,
der Michel

*) alle Reichsbürger und überzeugten Rechten dürfen weglesen, die sind eh schon verloren
**) selbstverständlich abgesehen von ihren schwer bewachten Privatinseln und anderen Enklaven
***) Darin liegt doch die faulige Wurzel der Schizophrenie dieser rechten "Internationale": Was soll man von einer "Parteienfreundschaft" halten, wo diese Parteien in ihrem nationalistischen Kern völlig gegensätzliche, hegemoniale Interessen verfolgen?
****) Das ist natürlich stark verkürzt dargestellt.
*****) Schon mal überlegt, an wem sich die AfD nicht nur verbal austoben wird, wenn sie mal mit denen fertig ist? Frei nach Niemöller:

"Als die AfD die Flüchtlinge holen ließ, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Flüchtling. Als sie die Moslems einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Moslem. Als sie die links-grün Versifften holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Grüner. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte."

Freitag, 13. Januar 2017

Tatzeit: heute, 16:00, Tatort: Phoenix

Ich habe keine Ahnung, wer sich tatsächlich sonst noch die gefühlt 2000ste Talkshow zum Thema Islam oder Islamismus anschaut, ich bin heute beim Zappen bei Maybrit Illner hängen geblieben.

Frau Illner hat sich leider über die Jahre von der sanft-kritisch Nachfragenden in eine provokant-penetrante Zuspitzerin  gewandelt. Doch bei dieser Show war etwas anders: Es kam tatsächlich mal jemand zu Wort, der Substantielles beizutragen hatte, nämlich eine Religionswissenschaftlerin, die über Jahre über  Islamismus geforscht hat und europaweit junge "Konvertiten" interviewt hat.
Die kam zwar auch wieder erst zu Wort, nachdem die üblichen Krawall-Verdächtigen wie CSU-Scheuer sich ausgetobt hatten, durfte dafür aber ausreden, wohl weil man in der Runde spürte, dass hier endlich mal jemand wußte, worüber sie redete.

Quintessenz ihres erhellenden Beitrages: Es bringt wenig bis nichts (wie am Beispiel A. Amris gut dokumentiert), wenn Strafverfolgungsbehörden in ihren Kämmerlein hocken und alle für sich unendliche Datenmengen sammeln, mit diesen dann aber nix anzufangen wissen. Ihr Standpunkt war, dass es unendlich mehr bringt, mehr Geld in Prävention zu stecken, um jemanden erst gar nicht zum "Gefährder" werden zu lassen.
Der anwesende "Terrorismus-Experte" (ich liebe diesen Begriff) pflichtete sofort bei und hatte auch gleich noch zwei Beispiele aus Dänemark und Holland parat, wo Präventionskonzepte gut funktionierten.

Das brachte den anwesenden Heiko Maas dazu einzuwerfen, man gebe ja bereits unglaubliche 100 Mio Euro für Prävention aus. Der "Experte" warf darauf ein, dass dieses Geld erst seit zwei Jahren zur Verfügung steht, eine Frauenstimme rief, dass Geld allein nicht ausreiche, und ich glaube Stephan Aust meinte, dass 100 Mio gar nicht so unglaublch sind.

Diese ewigen Zahlenspielereien in Talkshows nerven ohnehin, aber überlegen wir uns nur mal kurz, dass es in Großstädten mindestens eine Behörde, in Kleinstädten mindestens eine (gut ausgebildete) Person geben müßte, die sich lokal um Prävention kümmert. Man kann sich ausrechnen, wie schnell allein die Personalkosten die 100 Mio dahinschmelzen lassen.
Man kann auch mit einem holprigen Vergleich argumentieren: Die Deutschen geben im Jahr 9 Millarden (!) Euro für Haustiere aus. Gemessen an der derzeitigen Angst und Medienpräsenz der Thematik "islamistischer Terrorismus": Wieso ist uns dessen Prävention so viel weniger wert? Haben wir  doch mehr Angst davor, dass uns Fluffelhunde auf Schappi-Entzug auf den Teppich kacken, als vor Amokläufern auf dem Oktoberfest?

Oder wollen wir lieber weitere Milliarden in sinnloses Militärequipment versenken (wobe mir persönlich eine Investition in nicht fliegende Kampfdrohnen lieber ist als in welche, die wirklich funktionieren)? Oder geht es um die "schwarze Null"? Wo doch ein leidvoller Blick in Richtung  CSU zeigt, dass uns die schwarzen Nullen so schnell nicht ausgehen werden?

Was ich damit eigentlich sagen will: Danke dafür, dass mal jemand zu Wort kam, der Ahnung hat, und nicht nur das übliche Spektrum aus Krawallnasen und Beschwichtigern.

Und, nur um auch das mal gesagt zu haben: Die populistischen Forderungen nach "wegsperren" oder "ausweisen" lassen sich einfach beantworten: Wir leben in einem Rechtsstaat und nicht in einer faschistischen Diktatur. Daher kann sich jeder hier lebende Mensch (so z B auch Pegida-Anhänger und Co) darauf verlassen, dass er erst eingesperrt wird, wenn er etwas verbrochen hat bzw. rechtskräftig verurteilt wurde. Blöde Sache, so ein Rechtsstaat - zumindest, solange es um das Wegsperren der "anderen" geht.
Uns ausweisen kann ich nur den, der nicht deutscher Staatsbürger ist. Ein großer Teil der Konvertiten dürfte dieses Kriterium nicht erfüllen. Zumindest mit denen muss sich der deutsche Staat selbst auseinander setzen. Und da ist Prävention vielleicht nicht das schlechteste. Vor allem, wenn man sich die Alternativen anschaut.
Und das ewige Geblöke nach "mehr Überwachung"? Dass "mehr Überwachung" schon einmal gezielt Verbrechen verhindert hätte, dieser Beweis steht glaube ich noch immer aus. Kameras an jeder Ecke sorgen lediglich dafür, dass es für jede kriminelle Tat hinterher (!) eine Menge Bilder und Videos gibt, die dann in allen Medien rauf und runter gezeigt werden. Echten Terroristen dürfte das gefallen.