Freitag, 9. März 2018

Tatzeit: andauernd, Tatort: Deutschland

Ich möchte mich heute mal den nicht enden wollenden Gerüchten entgegen stellen, die da besagen, dass überall in Deutschland Ladendiebstähle von Flüchtlingen/Asylanten oder Ausländern allgemein nicht geahndet werden, und dass Staat und Gemeinden Ladenbesitzer für den entstandenen Schaden entschädigen.

Was ich dagegen zu setzen habe? Reine Vernunft. Logik.

Punkt 1: Der durchschnittliche Flüchtling, egal ob aus Afrika, Afghanistan oder den "Nahen Osten", hat erhebliche Strapazen auf sich genommen, um nach Deutschland zu gelangen. Junge Menschen, getrennt von Freunden und Familien, durchqueren halbe Kontinente, erleben unterwegs Hunger, Angst, Kälte, Mißbrauch, Hass und Tod, sind Wochen und Monate unterwegs, auf abenteuerlicher Reise zu Fuß durch Wüste oder Gebirge, zusammengepfercht in Lastwagen und überladenen Schlauchbooten.
Und wenn sie nach all dem endlich im "gelobten Land" ankommen, an dem Ort, wo sie ihr Glück machen wollen, wo sie in jedem Fall bleiben wollen oder müssen, ist das erste, was sie machen, Diebstähle zu begehen? Ein Delikt, das auch in ihren Heimatländern eine Straftat ist, eines, von dem sie zumindest annehmen müssen, dass es ihnen die Ausweisung einbringt? Ist das logisch? Würdet IHR sowas machen?

Punkt 2: Diese Gerüchte gibt es quasi aus ganz Deutschland. Immer heißt es, es gäbe eine Bekannte oder einen Cousin, der "bei der Stadt" arbeitet und ganz genau mitbekommen hat, wie das läuft, aber eben nicht drüber reden dürfe. Oder ein Nachbar, der bei der Polizei arbeitet und "einiges zu erzählen hätte, wenn er denn drüber reden dürfte".
Das Gerücht geht fast immer so: Wenn ein Flüchtling irgendwo was klaut, kommt die Polizeit erst gar nicht, die Justiz ermittelt nicht, der Ladenbesitzer ruft einfach bei der Gemeinde an und bekommt den Schaden ersetzt. Aber NIEMAND redet offen über diese angeblichen Tatsachen.

Wir hätten es hier also mit einer Verschwörung zu tun, die folgende Bevölkerungsgruppen umfasst:
- alle Politiker, angefangen von der Regierung, die das Ganze ja angeblich orchestriert, bis hin zum letzten Lokalpolitiker, egal welcher Partei, denn lokal regieren ja auch rechte und parteilose Hanseln
- alle Mitarbeiter lokaler Behörden bis hin zum einfachen Telefonisten
- sämtliche Ladenbesitzer und deren Angestellte
- der komplette Polizei- und Justizapparat, selbst jener Teil, dessen Herz rechts schlägt
- die komplette Presse, inklusiver rechter Postillen oder konservativer Klatschorgane wie BILD, die sonst noch jede Halbwahrheit drucken, solange sie in den ideologischen Horizont des Stammtisches passt (wie der neueste Titanic-Hoax zeigt)
- sämtlich bei einem Ladendiebstahl zufällig anwesenden Kunden.

Eine solche Verschwörung muss es sein, da diese Diebstähle ja scheinbar massenhaft und flächendeckend auftreten, aber trotzdem nie jemand öffentlich "den Mund aufmacht".

Und das, obwohl die Stimmung ja momentan so ist, dass vor allem CDU/CSU erst recht beweisen möchte, wie schnell und entschlossen man gegen kriminell gewordene Flüchtlinge vorgeht. Wo man sogar Tote in Kauf nimmt und mit Diktaturen paktiert, um Asylanten um jeden Preis von Deutschland fern zu halten. In diesem Klima vertuscht die Regierung kriminelle Aktivitäten?

Und alle Kommunen machen mit, obwohl sie in Zeiten leerer kommunaler Kassen sicher keine Ladendiebstahl-Entschädigungszahlungen im Budget stehen hatten, es also auch noch krimineller Energie bedürfte, diese geheimen Zahlungen aus dem Stadtsäckel vor dem Rest der Bevölkerung zu verbergen.

Ganz zu schweigen davon, dass sich die unmittelbar Beteiligten ihrerseits jedes Mal wohl der "Strafvereitelung im Amt" schuldig machen würden.

Noch einmal: Ergibt irgendetwas von dem Geschilderten irgendeinen Sinn?

Die andere Seite möchte ich auch beleuchten.
Zwei Jahre ist es her, da brachte die FAZ einen Artikel, der davon berichtet, dass 2015 kleinere Delikte durch Flüchtlinge in Schleswig-Holstein nicht mehr geahndet würden. Beweise für das geschilderte Vorgehen gibt es keine, der Artikel bleibt in allen Aspekten bei Andeutungen, Vermutungen und unbewiesenen Berichten anderer. Allein auf dieser Meldung scheinen sich aber alle anderen Gerüchte zu gründen.

Im September 2017 berichtet die Stuttgarter Zeitung von einem Gerichtsverfahren gegen einen bosnischen Familienclan, der 2015 Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien (!!!) zu Fahrraddiebstählen angestiftet haben soll. Klar kriminell (niemand würde ernsthaft behaupten, es gäbe nicht auch kriminelle Flüchtlinge), bebildert die Geschichte aber im Prinzip das Gegenteil der verschwörungshaften Nicht-Strafverfolgung.

Wahr ist auch, dass vor allem junge, unbegleitete Flüchtlinge kleinere Straftaten begehen. Mir ist persönlich ein junger Mann, der bei seinem Arbeitgeber in die Kasse gegriffen hat. Die Motivationslage: Auf dem jungen Mann lasteten die Forderungen der Familie im Heimatland schwer, Geld nach Hause zu schicken, dazu kamen Heimweh und Einsamkeit. Die Familie hatte sich hoch verschuldet, um seine Flucht zu finanzieren, in der naiven Erwartung, der junge Mann würde in kürzester Zeit eine gut bezahlte Arbeit finden.
Ob er das Geld geklaut hat, um es nach Hause zu schicken, oder als straffällig Gewordener nach Hause geschickt zu werden, konnte nicht abschließend geklärt werden. Was genau aus ihm wurde, weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass der Arbeitgeber von einer Anzeige zurückgezogen hat, aus einem Gefühl, dass heutzutage vielen abzugehen scheint: Mitleid. Die Staatsanwaltschaft hat die Anzeige aber aufrecht erhalten, es gab eine Bewährungsstrafe. Nach letzter Info hat der Weckruf gewirkt, der junge Mann hat einen festen Job gefunden.

Auch hier kam kein Stadtkämmerer mit dem Scheckbuch und hat dem Bestohlenen Schweigegeld gezahlt. Keine Behörde hat auf Geheiß "von oben" eine Straftat vereitelt. Im Gegenteil.

Mein Tipp: Wenn man bei unsicherer Gemengelage nicht zwischen angeblichem "Gutmenschentum" und "Hetzparolen" unterscheiden kann - einfach mal das Hirn einschalten. Logisches Denken hilft einem oft über den Berg. Anderen nicht grundsätzlich das schlechtest Mögliche zu unterstellen auch.