Montag, 14. Februar 2022

Friedensbewegung ist tot

Sagt mal, habt ihr sie eigentlich noch alle?
Da wird vor aller Augen direkt vor unserer Haustür ein Krieg eingerührt, und keiner erhebt seine Stimme?

Actually NIEMAND???

Wo ist die ARD-Sondersendung darüber, dass sich hier Nationen mit Atomwaffen gegenüberstehen?

Wo sind die Friedensappelle, wo sind die Aufschreie aus der Politik, aus Kunst und Kultur, aus der Bevölkerung? Haben die Grünen ihre Gründungsideale vergessen, ihr Ursprünge in der Friedensbewegung? Haben die Linken solche Angst davor, Putin-Versteher genannt zu werden?

Wieso geht da keiner auf die Straße? Zu kalt? Zu unsexy?

Da behaupten die USA, es gäbe Geheimdienst-Beweise, die belegen, dass Russland die Invasion der Ukraine plant. Vorlegen können sie die Beweise natürlich nicht, weil " Quellenschutz". Im Irak-Krieg haben sie sich wenigstens die Mühe gemacht, Beweise zu fälschen.

Wo sind denn die aufrechten Journalisten, die daran erinnern, dass es in den USA eine häßliche Tradition gibt, Kriege mit vorgeschobenen Propaganda-Lügen zu rechtfertigen? Nie jemand "wag the dog" gesehen? 

Footage dazu, das man im deutschen Fernsehen nicht zu sehen bekam:

https://twitter.com/thehill/status/1489336004637044746

Stattdessen seh ich, wie in Tagesschau und Co. die Mär der Geheimdienst-Beweise nachgeplappert wird. Es wird berichtet, als wäre der Krieg nicht mehr zu verhindert und eine allgemein akzeptierte Tatsache. Nicht eine einzige Gegenstimme, keine Zweifler an der amerikanischen Darstellung, keine Altpolitiker als Mahner vom Schlage eines Genscher, Schmidt oder Geißler.

Aber es wird quer durch die Presselandschaft berichtet, dass Herta Müller sich für Waffenlieferungen ausspricht. Toll. Mal abgesehen davon, dass sich Müller als Tochter eines Waffen-SS-Soldaten solche Äußerungen vielleicht zweimal überlegen sollte: Welche gesellschaftliche Relevanz hat diese Wortmeldung einer fast traditionell russlandfeindlichen Literatin mit eindimensionalen Coeuvre, dass sie derart breitgetreten wird? Wo sind die Meldungen über Künstler, die sich gegen die Kriegstreiberei wenden? Wo sind die alten Granden wie Niedecken, Westernhagen, Lindenberg - habt wenigstens ihr noch was zu sagen, wenn schon der Rest der deutschen Musik- und Künstlerszene keine Haltung mehr zu haben scheint?

Ja, wo sind die eigentlich? Haben die alle Angst, dass ihnen jemand Antiamerikanismus vorwirft?

Blöd natürlich, dass man bei dem Abgekulte von Putin und dem Amerika-Hass in AfD- und Schwurblerkreisen immer aufpassen muss, dass man nicht Beifall aus der "falschen Ecke" kriegt. Aber mal ehrlich: Sind wir echt so eindimensional diskursunfähig, dass wir das nicht mehr auseinander halten können? Dass nur noch in Schubladen und an Shitstorms gedacht wird? Sollten tatsächlich alle "Kräfte der Vernunft" lieber schweigen, aus Angst, mit Schwurblern in der falschen Schublade zu landen und da nicht mehr rauszufinden? Also im Zweifel lieber zuschauen, wie Kriegshetzer unwidersprochen die Medien dominieren, als zu riskieren, mißgedeutet zu werden?

Mein Punkt ist: Wo sind die Deutschen, die sich deutlich gegen einen Krieg aussprechen? Die der ganzen Säbelrasselei eine klare Absage erteilen? Ist das Pazifistischste, was Deutschland fertig bringt, tatsächlich ein Olaf Scholz, der 5000 Helme in die Ukraine schickt?

Oder seid ihr alle in Schockstarre, weil niemand wahr haben will, dass in Europa nochmal ein heißer Krieg ausgefochten werden könnte? Nur 27 Jahre nach dem Ende des Jugoslawien-Kriegs?

Von Berlin nach Kiew ist es ungefähr genau so weit wie von Berlin nach Rom, in die Normandie oder an die Cote d'Azur. Bzw. ca. zwei Flugstunden. Von Berlin bis nach Weißrussland ist es ungefähr soweit wie zum Balaton. In Anbetracht dessen, dass Kriege nicht mehr mit Pfeil und Bogen geführt werden, ist das GAR NICHTS.

Mir liegt nichts ferner, als von "Systempresse" zu schwurbeln. Aber es ist schon auffällig, wie unwidersprochen die Kriegsrhetorik und Sichtweise der NATO in den Medien repliziert wird.

Mein Punkt ist nicht, Russlands Absichten zu hinterfragen oder Putin einen feinen Kerl zu nennen. Oder anders nochmal darauf hinzuweisen, dass die USA seit 200 Jahren wie selbstverständlich überall auf der Welt Militärbasen unterhalten, Kriege und Invasionen vom Zaun brechen und die NATO Manöver abhält, wo sie grad lustig ist, während man Russland mit Krieg droht, weil die IM EIGENEN LAND ein Manöver zelebriert.

Wer sich für sowas interessiert, der mag sich in diesen interessanten Vortrag vertiefen:


Montag, 14. Januar 2019

Unbedingte Leseempfehlung

...für alle, die sich fragen, warum die Welt so ist, wie sie ist, und warum die Rechten derzeit weltweit wieder Oberwasser haben:

https://m.bazonline.ch/articles/20981022

Schnappatmung garantiert.

Mittwoch, 19. September 2018

Lesetipp

...für alle, die immer noch meinen, die AfD wäre eine ganz normale Partei und man könne die einfach "mal so" wählen, um"denen da oben" eins auszuwischen:

http://www.schleckysilberstein.com/2018/09/ein-hauch-von-33-und-plotzlich-stehen-sie-vor-deiner-tur/

AfD und Co. geht es nur vordergründig um "die Rettung der Deutschen" vor den Ausländern und dem Islam. In Wirklichkeit geht es ihnen um den Umbau des Staates. Und dann ist genau das zu erwarten, wovor die AfD uns angeblich gerne retten möchte: Redeverbote, Denkverbote, "Gleichschaltung" von Medien und Kultur. Erdogan hat's gemacht, Orban hat's gemacht, die Polen machen's, Trump versucht es auch, Hitler hat es vorgemacht, und die AfD macht es heute schon, siehe oben.

Alle, die ihr Angst vor Ausländern, Terroristen oder der Zukunft im allgemeinen habt, berechtigt oder nicht: Das Deutschland, das die AfD bauen möchte, ist ein Land, in dem ihr definitiv nicht leben wollen werdet. DAVOR solltet ihr Angst haben.

Wenn ihr Protest wählen wollt, dann gebt eure Stimme lieber irgendeiner Klein- oder Spaßpartei. In Bayern z.B. ist sogar das Programm der Bayernpartei weniger menschenverachtend als das der AfD.

Mittwoch, 29. August 2018

Danke, AfD!

Danke, dass du mich an eine grundlegende Maxime der politischen Propaganda erinnert hast:

Nicht jeder, er nett aussieht, ist auch nett.

Denn München ist mal wieder plakatiert bis zum Erbrechen. Gefühlt hat die AfD hier die meisten Plakate geklebt, alle mit Gesichtern. Einge sehen sogar recht sympathisch aus. Und genau da hakt es: Ein netter Mensch kann nie Mitglied, geschweige denn Funktionsträger in dieser Hass&Hetz-Partei sein.
Am freundlichsten schaut dabei ein Kandidat drein, nennen wir ihn mal Mr. Braun. Seine politischen Schwerpunkte liegen lt. AfD-Webseite bei Bildung und - Tusch! - Migration.
In Sachen Bildung tritt er dafür ein, Behinderte und Migranten aus dem generellen Unterricht herauszunehmen und in Sonderschulen zu stecken. Im übrigen befürwortet er Leistungsorientierung, Ordnung und Disziplin im Klassenzimmer.
"Nett", nicht wahr? Erinnert mich im Denkansatz an das Bildungssystem zu NS-Zeiten. Polemisch zugespitzt: Behinderte und Nicht-Deutsche werden zur besonderen Verwendung Beschulung ausgesondert, der Rest wird zu guten Soldaten  Leistungserbringern gedrillt, und ab und zu gibt's eins mit dem Rohrstock.

Im Absatz über Migranten fndet sich dann die Behauptung, dass 2017 45% aller Gewalttaten in Bayern von Nicht-Deutschen begangen wurden. Nach schöner AfD-Tradition fehlt für diese Fantasiezahl jeglicher Beleg. Die offizielle Polizeistatistik des CSU-Freistaats (die nicht im Verdacht steht, sonderlich migrantenfreundlich zu sein), spiegelt diese Zahl nicht. Es gab 2017 99.660 "Rohheitsdelikte" (die sind wohl im Wesentlichen gemeint), davon 12.532 von Nicht-Deutschen begangen. Naja, Mathematik ist halt nicht jedermanns Sache.
Im übrigen hätte er seinen Ausführungen folgend Migranten gern assimiliert, m.a.W., die (illusorische und dem menschlichen Empfinden zuwider laufende) vollständige Aufgabe der eigenen kulturellen Identität zugunsten der Kultur des Einwanderungslandes.

Sooo nett ist Mr. Braun.

Was plakatieren die anderen Parteien so? Nach dem, was ich gesehen habe, überbieten sich die andern mal wieder an Einfallslosigkeit:
Die CSU hat lediglich "Bayern.München." auf ihre Plakate geschrieben. Wohl für den Fall, dass ihren Anhängern kurzfristig entfallen ist, wo sie sich befinden. Bei CSU-Wählern kann man nicht vorsichtig genug sein.
Die SPD wartet mit dem Slogan "Zamhalten statt spalten" auf. (Für Nicht-Bayern: "Zamhalten" ist die bavarisierte Form von "Zusammenhalten".) Als wäre die SPD nicht das Paradebeispiel für mangelnden Zusammenhalt und sich-gegenseitig-in-den-Rücken-fallen in der politischen Landschaft Deutschlands. Vielleicht richtet sich die Botschaft ja nicht an die Wähler, sondern nach innen an das SPD-Führungspersonal.
Die FDP hat wieder ihre quietschbunten Plakate mit den Konterfeis nichtssagender junger Männer mit Business-School-Frisuren aufgehängt.
Die Grünen haben sich das total hippe Thema "bezahlbare Wohnungen" auf die Fahne geschrieben.
Dazu kann ich sagen, dass gestern eine TV-Doku über Uschi Obermaier lief. Dort wurden u.a. kurz Bilder einer Demo aus München der frühen 70er Jahre gezeigt, bei der gegen Mietwucher und für bezahlbaren Wohnraum demonstriert wurde. Nur 50 Jahre später sind wir bei dem Thema scheinbar keinen Schritt weiter.
Von andern Parteien hab ich noch nichts gesehen. Vielleicht haben die schon aufgegeben? Ich vermisse ja nach wie vor die Beiträge der Violetten im politischen Diskurs...


Mittwoch, 25. Juli 2018

Könnt ihr eigentlich alle mal für einen Moment die Fresse halten?

Um das mal vorauszuschicken: Özil ist mir scheißegal. Fußball ist mir scheißegal.

Aber ist das nervige Rumgehacke auf Özil, das von nichts anderem getragen wird als der latent rassistischen Grundstimmung in Deutschland und denen, die damit medial und politisch Quote machen, echt nötig? Geschweige denn angemessen?

Diese ständige Skandalisierung der banalsten Geschehnisse geht mir sooooo auf den Sack.

Seit wann erwartet man von Fußballern eigentlich politischen Sachverstand? Ob das Foto mit Erdogan nun richtig war oder nicht, kalkuliert oder einfach nur saudumm, kann uns doch Wurscht sein.
Fakt ist doch: Deutschland macht Geschäfte mir Erdogan, Diktator hin, Kriegstreiber her. Erdogan führt Krieg gegen Teile der türkischen Bevölkerung, und Deutschland liefert die Panzer dazu. Erdogan hält Resteuropa einen Teil der Flüchtenden vom Leib, zu welchem Preis, möchte man gar nicht wissen. Merkel hat Erdogans Hand geschüttelt, Friedensfürst und coolster POTUS ever Obama auch, der Papst, Sigmar Gabriel auch, und wenn loud mouth Heiko muss, dann wird auch er die Hand des Präsidenten schütteln.

Man frage sich auch selbst: Wenn ein Machtmensch wie Erdogan, der dafür sorgen kann, dass deine in der Türkei lebenden Verwandten weggesperrt werden, der dir auf der andern Seite aber auch Türen weit öffnen kann, wenn du in der Türkei Geschäfte machen willst, wenn so jemand dich fragt, ob du ein Foto mit ihm machst: Wer würde da sofort "nein" sagen?

Apropos Obama: Wenn Özil sich mit Obama hätte fotografieren lassen, dem Mann, der Drohnenterror endgültig zu einem legitimen Mittel der Kriegführung gemacht hat, der entschieden hat, im CIA-Folterskandal von einer Strafverfolgung abzusehen, der aber nicht bereit war, Snowden zu begnadigen, der trotz mehrfacher Versprechen den illegalen, dem Völkerrecht widersprechendem Folterknast Guantanamo nicht dicht gemacht hat, wenn Özil sich also mit diesem Mann hätte fotografieren lassen, hätte kein Mensch sich aufgeregt. Denn Image ist alles: Erdogan ist ein schnauzbärtiger, hysterischer, machtgieriger Diktator, Obama ist schwarz, hip und cool.

Heinz Rühmann, Star des deutschen Vor-, Während- und Nachkriegskinos, hat Hitler die Hand geschüttelt. Das hat seiner Beliebtheit nach dem Krieg aber (fast) keinen Abbruch getan.

Fickt euch doch alle, ihr verdammten Heuchler. Plötzlich hat jeder eine Meinung zu Özil, selbst  Leute, von denen man noch nie gehört hat, und posaunt diese ungefragt heraus. Sogar
kriminelle Fußballer, die selbst schon allen möglichen Widerlingen aus Politik und Medien die Hand geschüttelt haben.

Das Ganze erinnert mich an den Protest schwarzer Sportler bei der Olympiade 1968 in Mexiko. Zwei schwarze Sprinter symbolisierten damals während ihrer Siegerehrung durch diverse Accessoires ihre Verbundenheit mit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Einer der Sportler damals dazu: „Wenn ich siege, bin ich Amerikaner, kein schwarzer Amerikaner. Aber wenn ich etwas Schlechtes mache, sagen sie, ich sei ein Neger. Wir sind schwarz und wir sind stolz darauf. Das schwarze Amerika versteht, was wir heute gemacht haben“ (Quelle: Wikipedia). Man tausche "schwarz" gegen "türkisch" und "Amerikaner" gegen "Deutsche", und voila: Das Zitat könnte 1:1 von Özil stammen. Die naheliegende und einigermaßen schockierende Frage wäre, ob wir heute, 50 Jahre später, in Deutschland eine ähnliche Stimmung haben wie im rassistischen Amerika der 60er Jahre.
Wobei man nicht vergessen darf, dass Özil ja mit seinem Foto wohl nicht einmal ein tiefgehendes politisches Statement abgeben wollte.
Die Reaktion des IOC damals erinnert ebenfalls an die verlogene Moraldebatte heute.

Mittwoch, 27. Juni 2018

Tatort: Europa, Tatzeit: seit 2015 (oder war es 1945, 1933 oder 1914?)

Die Berichterstattung und die politischen Diskurse, die gerade in Deutschland und Europa geführt werden, können einem den letzten Nerv rauben.

Flüchtlinge, Flüchtlinge, Flüchtlinge. Als gäbe es keine anderen Themen mehr.

Gerade meinte Alexander Gauland im TV, die AfD sei keine rechte Partei, und an Provokationen aus seinen Reihen könne er sich nicht erinnern. Und der hat die Stirn, anderen vorzuwerfen, Fake News zu produzieren? Die AfD, wir erinnern uns, ist die Partei, deren Mitglieder und Führungspersonal immer wieder mit rechten und Nazi-Parolen auf sich aufmerksam machen, und danach immer weinen, sie seien ganz, ganz schrecklich mißverstanden worden.

Wir müssen uns doch einmal klar machen, was wir aufgeben, wenn wir Quoten einführen, Grenzen dichtmachen, uns gegen "den Islam" positionieren: Nichts weniger als unsere Menschlichkeit, unsere freiheitlichen Werte, unser Grundgesetz und letztlich unsere Art zu leben stehen auf dem Prüfstand.

Gibt es denn wirklich jemanden, der mit Bildern ertrunkener Kinder an griechischen Stränden, vergewaltigten und hungernden Flüchtlingen in nordafrikanischen Konzentrationslagern, die mit EU-Geldern errichtet wurden, besser leben kann, als wenn derselbe Flüchtling nebenan einzieht? Gibt es wirklich eine Mehrheit, die sich nach Grenzkontrollen und Geldumtausch zurücksehnt? Gibt es jemanden, der leugnet, Deutschland ginge es wirtschaftlich auch deswegen so gut, weil es vom Freihandel innerhalb der EU profitiert? Genau wie der Wohlstand der EU zu einem guten Teil darauf basiert, dass Länder in Afrika und Asien ausgebeutet und deren Wirtschaftskraft ausgebootet werden, und dass die Wirtschaftsflüchtlinge, die aus diesen Ländern zu uns kommen, zum Teil auf Kosten unseres Wohlstands zu Flüchtlingen wurden?

Und jetzt wollen Politiker wie Orban, Le Pen, Söder und wie das rechte Geschmeiß in Europa auch immer heißen mag, dass sich Deutschland und die EU sich ihrer Verantwortung, wirtschaftlich  und moralisch, entziehen? Und irgendwelchen nordafrikanischen Regimen Steuergeld in den korrupten Rachen werfen, damit die (auf welche Art auch immer, so genau wollen wir das im Zweifel gar nicht wissen) uns die Flüchtlinge fernhalten? Dieselben Regime, die ihre eigenen Migranten nicht zurückhaben wollen, und in deren Hotelbunkern wir Billigurlaub machen?
Wie feige, heuchlerisch und abgefeimt ist das denn?

Selbst wenn man der Meinung ist, dass das, was diese Politiker derzeit betreiben, sei rechtens und gut für unser Land und die EU, man darf doch nicht vergessen, was das für Politiker sind, denen wir damit den Rücken stärken. Denen geht und ging es noch nie um die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bürger, nicht einmal derer der eigenen Nation. Orban hat Ungarn in undemokratischer Weise umgebaut, hat die Pressefreiheit und die Justiz eingeschränkt, in erster Linie, um in autokratischer Weise seine Macht zu erhalten und Freunden und Familie die Taschen zu füllen, dabei aber immer fleißig Hilfsgelder aus der von ihm gescholtenen EU zu ziehen. Für eine ähnliche Politik wird Erdogan von uns gescholten, Putin gefürchtet und Trump verspottet.

Und Orban? Findet dafür in ganz Europa am rechten Rand Freunde und Nachahmer. Warum, zum Teufel? Ist denn den einfachen Bürgern noch immer nicht klar, dass Parteien wie Fisdesz, PIS und AfD vor allem ihre eigene Macht um jeden Preis erhalten wollen, um im zweiten Schritt Bürgerrechte zu beschneiden? Die bei ihrem Kampf für die angeblich "unterdrückte Meinung" mit ihrem Opfer-Gehabe eigentlich nur die Einschränkung der Meinungsfreiheit all derer im Visier haben, die nicht ihrer Meinung sind?

Keinem Rentner, keinem Arbeitslosen, keiner Alleinerziehenden und keinem gesetzlich Krankenversicherten wird es besser gehen, weil keine Einwanderer mehr ins Land kommen. Im Gegenteil, geht es nach Parteien wie der AfD, sind genau die eben Genannten die nächsten auf der "Abschussliste".
Heißt es heute noch aus der rechten Ecke "dem Flüchtling wird alles hintenreingesteckt" und "die arme, alleinerziehende Mutter muss darben", wird es dann wieder heißen "dem "Hartzer wird alles hintenreingesteckt" und "soll die Alleinerziehende halt arbeiten gehen". Die Rechte war sich noch nie zu fein dafür, neue Feindbilder zu finden und Bevölkerungsschichten am unteren Rand gegeneiander zu hetzen, während man sich "oben" ins Fäustchen lacht und die Taschen füllt.

Sind denn wirklich alle so erpicht darauf, Freiheit abzugeben, um wieder in Staaten zu leben, wo Repressalien an der Tagesordnung sind, wo man im Knast landen kann, weil man seine Meinung öffentlich sagt? Sehnt sich Osteuropa, sehnen wir uns nach den Erfahrungen mit der Nazi-Diktatur und der "Diktatur des Proletariats" wirklich wieder nach einem antidemokratischen System mit Geheimpolizei, geschlossenen Grenzen und Denkverboten?

Denn machen wir uns nichts vor: Das ist genau das, was uns blüht, wenn die Nationalisten sich in Europa mit ihrer Politik durchsetzen. Nationalismus beginnt und endet immer in einem "wir gegen die", was in der Vergangenheit häufig Krieg bedeutet hat. Man kann von der EU halten, was man will, aber diese aus den Trümmern des zweiten Weltkriegs hervorgegangene Organisation sichert seit 70 Jahren den Frieden in Europa. Und wenn die EU das macht, in dem sie uns die Krümmung der Gurken vorschreibt, dann sag ich dafür artig "danke schön", denn das ist ein geringer Preis für Frieden.

Und noch eine Absurdität möchte ich nicht unerwähnt lassen. Die AfD ist in Teilen aus der FDP hervorgegangen, andere Mitglieder stammen aus der CDU/CSU-Ecke. Das Führungspersonal besteht zu einem großen Teil aus Juristen, einige sind katholisch-wertkonservativ, einige Mitglieder der von-Hayek-Gesellschaft.

Die deutsche Gesellschaft hat sich in großen Teilen zu Recht von dem Weltbild, das diese Herrschaften mit sich herumtragen und das sie vertreten, verabschiedet. Die FDP wurde abgewählt, der Katholizismus ebenso, und obwohl die hayeksche Wirtschaftslehre die deutsche Wirtschaftspolitik weiter nachhaltig prägt, wird das darin vermittelte, inhumane Menschenbild doch von den meisten Menschen abgelehnt, zumindest meiner Erfahrung nach. Das hat Deutschland zu einem humaneren, lebenswerteren und wohlhabenden Land gemacht.

Wieso also sollen jetzt die Uhren zurückgedreht werden? Wieso wehren sich dagegen so wenige laut? Wieso reden wir nicht mehr über Altersarmut, Pflegenotstand, Umweltzerstörung und Klimawandel, Atomkraft und Energiepolitik, Waffenexporte, bezahlbare Bildung für alle, Überwachungsstaat und Geheimdienste, rechten Terrorismus, Hartz4, Gentrifizierung und Wohnungsnot, Mobilität, Automatisierung und Bürgerrechte in der Welt von morgen, über Weltfrieden oder das Streben nach Glück und Zufriedenheit? Warum sind "Flüchtlinge" nun schon seit Jahren das dominierende Thema, was noch dazu eins ist, das die wenigsten Menschen direkt tangiert? Warum lassen wir es als Gesellschaft zu, dass uns der rechte Rand und auflagenfixierte Medien uns mittels Angstkampagnen immer wieder diese Debatte aufzwingen?

Und auch an das hier sei erinnert:



An Buffets Zitat muss ich immer dann denken, wenn mal wieder Bevölkerungsgruppen aus der unteren Hälfte der Gesellschaftspyramide gegeneinander in Stellung gebracht werden.

P.S.: Falls sich jemand von meinen Äußerungen beleidigt fühlt, dem sei schon einmal vorsorglich mitgeteilt, dass er mich sicher mißverstanden hat, weil mir die Maus ausgerutscht ist usw.
Ehrlich wahr.

Freitag, 1. Juni 2018

Tatzeit: April 2018, Tatort: Die deutsche Presselandschaft

Bildblog.de hat mal analysiert, wie in den deutschen Online-Medien mit dem Schlagwort bzw dem Themenkomplex "Ausländer" Kasse gemacht wird. Hier gehts zu dem Artikel...

Die Quintessenz: Jede noch so banale Geschichte, die sich nur auch am Rande mit den Themen "Ausländer", "Asyl" oder "Islam" verknüpfen läßt, wird gnadenlos aufgebauscht, geheadlined und möglichst skandalheischend aufbereitet. Der Tenor geht dabei immer in Richtung "Ausländer böse", "Islam böse" und "Gutmenschen dumm".

Das einzige Ziel: Die Medien machen sich die massenweise und tw. automatisierte Verbreitung dieser Meldungen im rechten Spektrum zu Nutze, das bringt Klickzahlen und damit Geld in die Kasse.
Aus Sicht der Medien erstmal verständlich, schließlich müssen sie Geld verdienen, auch wenn sie damit durch die Gewichtung bestimmter Themen wie "Flüchtlinge" etc. die Ausgewogenheit der Berichterstattung zu Gunsten der Vermarktbarkeit verschieben.

Steht die Gewinnerzielungsabsicht bzw -pflicht der Massenmedien damit nicht in krassem Widerspruch zu ihrem Eigenanspruch der freien, unabhängigen Berichterstattung in einer funktionierenden Demokratie? Die Vielfalt der Medienlandschaft hat zuletzt "Die Anstalt" ad absurdum geführt (Link zur ZDF-Mediathek, Link zu einem Auszug auf Youtube).

Wird also eine Presse, die Gewinne erzielen muss, nicht zwangsläufig (fast) immer nur über Themen und in einer bestimmten Weise berichten, die größtmögliche Absatzzahlen versprechen? Hängt damit die Glaubwürdigkeit der Presse nicht unmittelbar an der Integrität einiger weniger, in der Öffentlichkeit als glaubwürdig, authentisch und investigativ wahrgenommener Journalisten?
Kann es in einem kapitalistischen System, in dem zudem tendenziell konservative, libertäre und nationalistisch angehauchte Autoritäten herrschen, überhaupt eine freie Presse geben, die ihrem Auftrag als "4. Macht" in einer Demokratie zuverlässig nachkommt?

Gut, Pressearbeit ist in Zeiten des Generalverdachts von "Gleichschaltung" nicht einfacher geworden. Dummerweise wird z.B. das Ringen um Glaubwürdigkeit einiger Journalisten des ÖR Rundfunks durch tendenzielle Berichterstattung in anderen ÖR Formaten konterkariert. Und Medien, die ausgewogener über das Thema "Ausländer" berichten und nicht bei jedem Falschparker  Nationalität und Religionszugehörigkeit dazuschreiben, müssen sich damit herumschlagen, dass ihnen genau diese Ausgewogenheit als schuldhaftes Verschweigen der "Wahrheit" ausgelegt wird.

Das ist aus meiner Sicht aber ein Grund mehr, bestimmte Medien von der Gewinnerzielungsabsicht abzukoppeln. GEZ für die Presse? Vielleicht. Schwieriges Thema. Eine Flatrate bedeutet ja nicht automatisch, dass die Qualität der Berichterstattung sich verbessert, zudem weckt eine zentrale Regulierung von Einnahmen immer Begehrlichkeiten und Besorgnisse.

Der Presse weiter  tatenlos bei ihrem Niedergang und ihrer Kommerzialisierung zuzuschauen, ist aber keine Option. Denn die ausschließliche Kopplung der Berichterstattung an Klickzahlen und Werbeeinnahmen bedeutet langfristig nichts weniger als die Erosion einer der tragenden Säulen der Demokratie.