Sonntag, 26. April 2015

26.04.2015, Tatort: WDR

Dieter Nuhr fand ich bisher immer ganz witzig.

In diversen Interviews und Programm-Randbemerkungen seiner Kollegen schimmerte zwar schon ab und an durch, dass diese von ihm keine all zu hohe Meinung haben.

Auch mir ist schon die ein oder andere eher plumpe Pointe sauer aufgestoßen, aber: sei's drum,im Grundsatz ist er witzig.

Das Problem ist nur, dass Nuhr sich selbst offenbar für einen Kabarettisten hält. Isser aber nicht. Nuhr ist von einem Kabarettisten alter Schule wie Dieter Hildebrandt oder neuer Schule wie Claus von Wagner so weit weg wie ein Klumpen Tofu von einer Thüringer Bratwurst.

Problem Nr. 2 ist, dass offenbar auch Nuhr's Arbeitgeber, die ARD, den Mann für einen Satiriker und Kabarettisten hält. Schließlich ist sein Format "Satiregipfel" der traurige Nach-Nachfolger von "Scheibenwischer".

Diese Fußstapfen sind Nuhr viel zu groß. Nuhr ist der Mario Barth der bürgerlichen Klientel, der dieselben Mann-Frau-Klischees auswalzt wie Barth, nur eben feinsinniger aufbereitet und vorgetragen. Nuhr arbeitet sich zwar auch an politischen Themen ab, aber wo andere Künstler klug hinterfragen und bis an die Schmerzgrenze aufklärerisch tätig sind, reicht es bei Nuhr nur zu flapsigen Aufbereitung von BILD-Schlagzeilen. Sein Vorteil ist sein ruhiger Vortragsstil, seine gutbürgerliche Rhetorik und sein Timing bzw. sein Gefühl für Pointen, welche ihn eleganter wirken lassen, als er eigentlich ist.

Die Sendung von heute war da keine Ausnahme. Wie fast bei jeder Gelegenheit, wenn ich ihn in den letzten Jahr gesehen oder gehört habe, galt ein größerer Wortbeitrag den Griechen. Grundtenor nach Streichung aller Pointen und lustigen Verschnörkelungen: Griechen können nicht mit Geld umgehen und die blöden Deutschen zahlen alles.


Danke, Dieter, für diese messerscharfe Analyse. In ihrer gefühlt zweihundertsten Variante.
Dein Namensvetter und Sendungs-Erblasser dreht sich im Grabe herum.

Der Rest bestand aus eher lauwarmen Schenkelklopfern für die Generation Silbereisen, Nuhrs  einleitende Ankündigungen der Comedy-Gaststars waren weitgehend mißlungen.

Danke, ARD, für dieses zahnlose und überflüssige Format.


Sonntag, 19. April 2015

Frühling, Tatort: Deutschland

Kleine Bestandsaufnahme 2015:

Die rechtspopulistische AfD und Pegida tragen rechte Ideen bis tief in die Mitte der Gesellschaft hinein, die AfD feiert Wahlerfolge. Menschen sind wieder empfänglich für die Angst-Schürereien der Rechten. In Deutschland brennen wieder Asylantenheime. Politikern werden offen bedroht. Immer wieder offenbart sich, dass Polizei und Justiz auf dem rechten Auge blind sind. Studien zeigen immer wieder, dass rechtes Denken noch immer verbreitet ist. In unseren Nachbarländern gewinnen rechte Parteien teilweise enorm an Einfluss: Frankreich, Niederlande, Dänemark, Österreich, Schweiz. In Ungarn stellen sie die Regierung und haben bereits Bürgerrechte und Pressefreiheit in ihrem Sinne eingeschränkt.

Und in diesem Klima entblödet sich unsere Regierung nicht, unser Land weiter zu einem Überwachungsstaat umzubauen! Die Kontrollfreaks in den Parteien und in den Sicherheitsorganen reißen sich darum, den gläsernen Bürger zu schaffen. Sie möchten gern jegliche Kommunikation aufzeichnen, ob nun via Internet, per Handy oder per Telefon. Sie würden gern in Erfahrung bringen, wo sich 80 Millionen Deutsche in jedem Moment ihres Tages aufhalten, möchten wissen, was sie dort tun und mit wem. Dafür bauen sie im Schatten von 9/11 seit Jahren, eigentlich schon seit Jahrzehnten an einer Infrastruktur, die ihnen das ermöglicht. Genau so lange werden die Deutschen über den wahren Umfang der Überwachung im Unklaren gelassen. Es wird nach Kräften verharmlost, es werden Sicherheitsinteressen und Schwerverbrechen ins Feld geführt. Die Realität zeigt aber heute schon, dass Überwachungsdaten für alles Mögliche verwendet werden (können), nur nicht zur Aufklärung von Schwerverbrechen.

Führt man nun die obigen beiden Resümees zusammen, liegt eine Frage doch eigentlich auf der Hand: 
SIND DIE EIGENTLICH NOCH BEI TROST? 

Hat sich einer dieser Polit-Clowns, dieser Rechtschaffenheits-Darsteller und Stasi-Freaks mal Gedanken darüber gemacht, was eine extremistische Partei mit einem solchen Daten-Arsenal anstellen könnte? Hat einer von den Pfeifen mal drüber nachgedacht, dass auch ihre Gespräche, ihre Aufenthaltsorte und ihre Geheimnisse abgehört und ausgespäht werden, dass sie damit erpressbar werden, für jeden, der diese Informationen in die Finger bekommt: politische Gegner, die Presse, Verbrecher, Firmen, Geheimdienste? Dafür braucht es nicht mal die Skrupellosigkeit von Rechtsextremisten, die Skrupellosigkeit der Durchschnittstypen reicht da schon aus.
Oder denken die wirklich, sie seien gefeit? Denken die wirklich, ihre Daten, die Daten ihrer Kinder, Enkel, Verwandten und Freunde würden nicht missbraucht? Haben die denn gar nichts aus der Geschichte gelernt?

Wenn die Deutschen schon zu träge sind, ihre Hintern gegen den Überwachungsstaat oder gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit von der Couch zu heben: Wie wär es zur Abwechslung mal mit einer Kombination aus beiden? So weit hergeholt ist das nicht.

Wir haben es uns in der Hängematte bürgerlicher Freiheiten so bequem gemacht, dass wir gar nicht merken, wie sich hinter unserem Rücken die Fäden auflösen und wir Gefahr laufen, unsanft auf dem Boden einer sehr viel unangenehmeren Realität als der eines freiheitlichen Rechtsstaats wieder aufzuwachen.

Zeit zu erkennen, dass Aldi-Brot und RTL-Spiele die Freiheit nicht ersetzen können. Zeit, mal wieder dafür zu kämpfen. Wenn schon nicht für euch, dann wenigstens für eure Kinder.
Informiert euch, diskutiert darüber. Geht auf die Strasse, sammelt Unterschriften, redet mit euren Abgeordneten. Über Vorratsdatenspeicherung, über Pkw-Maut, über NSA, über NSU, über Pegida, über Freiheit, über Ungerechtigkeit, über Solidarität mit den Schwachen.

Und wenn ihr das schon nicht schafft, dann klickt wenigstens bei www.campact.de .

Sonntag, 12. April 2015

11.04.2015, Tatort: "zeit.de"

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/menschenrechte-religioese-verfolgung-anschlag-kenia

Im oben verlinkten Text wird auf eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Thema Religionsfreiheit hingewiesen. Konkret heißt es da:

Ihr Autor Theodor Rathgeber sagt: Wo Religionsfreiheit herrscht, da gelingen am ehesten Entwicklung, ökonomischer Erfolg, gerechte Verteilung und friedliche Konfliktbearbeitung.

Ah ja. Da muss ich mich fragen, ob die ungerechte Verteilung und gewaltsame Konfliktbearbeitung hierzulande nun ein Indiz dafür sind, dass es in Deutschland  doch keine echte Religionsfreiheit gibt. Oder ob die Studie und deren Autor mit ihrer Aussage gänzlich daneben liegen.
Oder was die Griechen wohl falsch gemacht haben, dass sich trotz Religionsfreiheit weder ökonomischer Erfolg und eine gerechte Verteilung eingestellt haben.

Wenn ich mir die Einflußnahme der christlichen Kirchen auf die deutschen Bildungspolitik, ihre Sonderprivilegien in Steuer- Arbeits- und Strafrecht, die erst kürzlich wieder aufgebrandete Diskussion um ein „Blasphemieverbot“ und  das ständige Rumgekloppe auf dem Islam anschaue, frage ich mich, wie weit es mit der Religionsfreiheit wirklich her ist.

China wiederum, obwohl immer wieder Sinnbild für Entwicklung und ökonomischen Erfolg, kommt in puncto Religionsfreiheit nicht gut weg.
Die USA hingegen, die vor lauter Religionsfreiheit jeder Sponti-Sekte den Religionsstatus zuerkennen, sind mit ihrer Geschichte alles andere, aber kein Beispiel für friedliche Konfliktbearbeitung, weder innerhalb, noch außerhalb der USA. Und an die gerechte Verteilung muss man wohl auch ein dickes Fragezeichen machen.

Insofern muss man dem alles relativierenden Wiesel-Wort „am ehesten“ die größte Bedeutung in obigem Zitat beimessen.
Vielleicht sind die Schlußfolgerungen des Autors auch totaler Bullshit. Völlig überrraschend käme das nicht, angesichts dessen, was für ein Verein die KAS ist.

Mittwoch, 1. April 2015

29.03.2015, Tatort: Russland / USA

Zunächst mal: Ich bin kein "Russland-Versteher". Ich kann die Schwarz-Weiß-Malerei der Anti-USA-Deutschland ist besetzt-Verschwörungstheoretiker nicht ab. Allein schon, weil sich hier plumpe Anti-Amerikanisten, Nationalisten, Ultralinke und völkische Esoterik-Spinner zu einem unausgegorenen Mix verquirlen, der immer mindestens auf einem Auge blind ist.

Genau so sehr aber lehne ich die hiesigen "Qualitäts-Medien" ab, die sich das vorbehaltlose Wiederkäuen von überwunden geglaubter, anti-russischer Kalter-Kriegs-Rhetorik zur Aufgabe gemacht haben, allen voran leider die öffentlich-rechtlichen.

Ein Blog, das sich offenbar zur Aufgabe gemacht hat, Entgleisungen letzterer zu entlarven, wäre https://propagandaschau.wordpress.com/.
Obwohl der Blog rhetorisch immer mal wieder ins Verschwörungstheoretische abgleitet, sind dort doch ein paar recht interessante Beobachtungen  festgehalten. Entdeckt habe ich dort auch folgenden, recht differenziert erscheinender Artikel bzw. Link, für den ich eine klare Lese-Empfehlung ausspreche:

http://logon-echon.com/2015/03/09/moskau-ein-reisebericht/

Die Lektüre hat mich inspiriert, tatsächlich mal nachzuschauen, wie es in den USA um die Rechte von Minderheiten bestellt ist. Nicht um zu relativieren oder Zahlen zu jonglieren, sondern um mal zu schauen, wieviel davon in der deutschen Presse landet. Insbesondere, nachdem uns regelmäßig Horrormeldungen über die Rechte Homosexueller in Rußland erreichen.
Netterweise hat mir ein amerikanischer Journalist die Aufgabe weitgehend abgenommen, die USA mit Rußland zu vergleichen.

Wer sich die 129 Seiten umfassende Abhandlung nicht zu Gemüte führen möchte, dem sei hier das Ergebnis grob zusammengefasst: Die russische Gesetzgebung ist in weiten Teilen fortschrittlicher als in den USA. Die öffentliche Meinung wiederum ist in Russland um einiges homo-feindlicher als in den USA, wobei es zwischen den US-Bundesstaaten teilweise deutliche Unterschiede gibt.
Allerdings sind in den USA 100 mal mehr "hate crimes" gegen Homosexuelle dokumentiert, Dunkelziffern sind in beiden Staaten vorhanden, die Höhe unklar.

Weder die USA noch Rußland sind also Homosexuellen-Paradiese. Wie aber sieht die Berichterstattung in deutschen Medien aus?

Das Google-Ergebnis verwunderte mich dann nicht sonderlich.  

Während man in deutschen Medien, von NGOs und von Lobby-Organisationen allerlei Schreckliches über Rußland erfahren kann, erfährt man von den USA zum selben Thema zunächst erstmal lauter Lobhudelei über verbesserte Gesetzgebung. Will man Zahlen und Fakten wissen, muss man sich hauptsächlich durch Blogs und ausländische Webseiten wühlen. Einzig bei Spiegel Online bin ich fündig geworden.

Eine ausgewogene Berichterstattung findet man nicht. Stattdessen viel Schwarz-Weiß-Malerei, die streng nach Propaganda riecht.

Friedrich Küppersbusch hat es zuletzt in einem Interview auf den Punkt gebracht: Der politische Journalismus in den ÖR-Medien befindet sich aufgrund seiner Nähe zu den Parteien in einem "Dolmetscher-Modus": "Wir erklären euch, was Siggi Gabriel gemeint hat" statt "Wir sagen Siggi mal, wo der Hammer hängt".
Warum die Privaten (Sender und Presse) mit wenigen Ausnahmen in dieselbe Kerbe hauen, ist  nicht ganz klar. Vermutlich ist es einfach billiger, einmal Vorgekautes oder von Propaganda-Kanälen kostenlos bereitgestelltes Material zu übernehmen, statt aufwendig selbst zu recherchieren. Vielleicht will man sich auch das Verhältnis zu Parteien, Politikern und auch Werbepartnern nicht kaputtmachen - man ist ja voneinander abhängig.

Zurück bleibt leider das Gefühl, dass man keinem Medium so recht trauen kann. Trotz, oder vielleicht auch gerade wegen der Fülle an verfügbaren Informationen fühlt man sich seltsam desinformiert.
Jeder geht mit diesen Gefühlen unterschiedlich um. Die einen glauben mit starrsinniger Verzweiflung alles, die andern mit resignierender Verbitterung nichts. Die einen schreien "Lügenpresse", die andern schalten ab und blenden aus, die nächsten suchen sich im Netz die notwendigen Steinchen für ihr eigenes Weltbild-Mosaik.

Ein Lehrstück über Vertrauensverlust.