Freitag, 15. Dezember 2017

Tatzeit: vor 20 Jahren, Tatort: Überall in Deutschland

Ich bin heuer über den Film "Der unbekannte Soldat" gestolpert.

Die Dokumentation berichtet über die beiden Wehrmachtsausstellungen, die 1995-1999 und 2001-2004 stattgefunden haben, über die geschichtlichen Hintergründe und über die Kontroversen, von denen die Ausstellungen begleitet waren.

Der Film sei jedem ans Herz gelegt und ist, ehrlich gesagt, passagenweise schwer erträglich. Wegen der gezeigten Original-Aufnahmen, vor allem aber wegen der diversen AUftritte von Alt- und Neu-Nazis, die die Ausstellung begleiteteten.

Eines ist mir dabei aufgefallen: Die Bilder der Demos sind teilweise um die 20 Jahre alt, ähneln aber den Pegoda/AfD-Aufläufen von heute frappierend.

Damals wie heute war das Credo: Mit der Presse wird nicht geredet. Die Marschierenden skandieren "Die Presse lügt!", auskunftswillige Demoteilnehmer werden von aggressiven "Ordnern" mit charakteristischem Scheitel an Interviews gehindert. Die Kameras der Dokumentarfilmer werden unvermittelt beiseite geschlagen, deutlich alkoholisierte Skinheads mit sächsischen Dialekt pöbeln die Journalisten voll. Heute wie damals dieselbe Gemengelage: Aggressive Jungnazis, geschniegelte Funktionäre, tumbe, zahnlose Nazi-Prolls und alte, unzufrieden dreinschauende Männer in Windjacken oder Trachtenjankern. Zwischendrin die ein oder andere versprengte Dame um die 50, Typ "Hausfrau mit Schoßhund", die meint, das Andenken ihres Großvaters retten zu müssen.

Die Demos damals wurden von NPD und Republikanern, flankiert von "Vertriebenenverbänden" und den üblichen Verdächtigen aus der reaktionären Revisionisten-Ecke.
Was ich damit sagen will: Die Bilder, die Parolen und das Gebahren damals und heute ähneln sich frappierend, obwohl es damals noch kein Merkel-Feindbild gab. Der einzige Unterschied: Damals marschierten da lupenreine Nazis. Heute marschieren Bürger, die von sich behaupten, keine Nazis zu sein.

Noch gruseliger freilich waren die diversen Ausschnitte aus Nazi-Wochenschauen, in denen über "das Judentum" hergezogen wurde als "Schädlinge", die sich "tief in die deutsche Kultur eingegraben hätten, um diese zu zersetzen". Genau in demselben abfälligen, hetzerischen Duktus, mit dem der in die Breite gegangene rechte Rand des Bürgertums heute über Moslems herzieht.

Wie heißt es so schön: If something looks like a duck, walks like a duck, and talks like a duck, chances are pretty good it is a duck.

Was nur so gar nicht ins Bild des deutschen Herrenmenschen passt: Dieses ständige Stilisieren als Opfer.
Die blonden, blauäugigen Front-Kämpfer des Dritten Reichs, die grinsend vor Massengräbern posieren: Opfer. Pegida-Marschierer, AfD-Mitglieder, Reichsbürger: Opfer. Schuld sind natürlich immer "die andern".

Wenn man  nicht wüßte, dass das alles Masche ist, müßte man sich wirklich fragen, was diese jämmerlichen, vom ungerechten Schicksal gebeutelten, von bösen Einflüsterungen fehlgeleiteten, von der Geschichten verkannten, eigentlich immer nur das Beste wollenden Unglückswürmer mit dem eigenen Heldenmythos von stolzen Patrioten gemein haben sollen.