Mittwoch, 23. Juli 2014

21.07., Tatort: Spiegel

Ex-Bundespräsident Wulff übt Kritik an den Medien. Und nutzt dafür: die Medien, in diesem Fall den Spiegel.

Tatsächlich entblödet Wulff sich nicht, die Politik aufzufordern, in Fällen wie dem seinen Einfluß auf die Justiz zu nehmen. Oder was sonst ist mit dem larmoyanten Satz ""Wenn der Ermittlungseifer von Staatsanwälten jedes Maß der Verhältnismäßigkeit sprengt, muss die Politik sich zu Wort melden."gemeint?
Ganz so, wie Wulff selbst seinerzeit versucht hat, auf die Presse Einfluß zu nehmen.



Aber es kommt noch besser. Sagt er doch tatsächlich über das Annehmen von Gefälligkeiten, die anrüchige Nähe von Wirtschaft und Politik, um mal den Begriff "Korruption" zu vermeiden: "Aber wenn Sie solche Maßstäbe an Politiker so unbarmherzig und rigoros anlegen, dann können Sie sich Politiker künftig im Kloster ausleihen."

Mit anderen Worten: Die Öffentlichkeit solle doch bei solchen Amigo-Verflechtungen ein Auge zudrücken, weil ohnehin alle Politiker ähnliche Leichen im Keller haben.

Vermutlich hat Wulff damit sogar Recht. Was für ein grandioses Armutszeugnis für unsere politische Kaste. Da passt es dann auch ins Bild, dass Deutschland erst kürzlich als eines der letzten Länder die UN-Konvention gegen Korruption ratifiziert hat, und auch das äußerst lustlos und halbherzig.

Kurze Zwischenfrage: Wenn Abgeordnete unbestechlich sind, warum brauchen sie dann elf Jahre für ein Gesetz, das die Bestechung von Abgeordneten ahndet?

Wulffs Einlassungen sind ein geradezu klassisches Beispiel für die Hybris, die unsere Politiker erfasst hat. Er sagt nichts anderes (und seine Handlungen in der Vergangenheit widersprechen dem nicht), als dass Politiker über Recht und Gesetz stehen.
Das ist im übrigen genau das, was wir tagtäglich erleben. Politiker, die Steuern hinterziehen, sich Vorteile erschleichen, bestechen oder sich bestechen lassen oder so eng mit der Wirtschaft verfilzt sind, dass es zum Himmel stinkt - leider alles schon so alltäglich, dass es kaum noch öffentlich gewürdigt wird. Man muss ja mittlerweile eher schon fragen, welcher Politiker keinen Dreck am Stecken hat.
Das betrifft auch nicht nur "die da oben". Kaum ein Landkreis oder Kleinstadt, wo die Menschen keine Geschichten über Polit-Filz und Skandälchen zu berichten wüßten.

Es scheint aber, als hätte sich die öffentliche Empörung darüber totgelaufen. Man will, man kann es nicht mehr hören. Teilweise schlägt die Stimmung sogar ins Gegenteil um, wenn allzu Unbedarfte die Verfehlungen der Volksvertreter bagatellisieren und stattdessen sogar dafür plädieren, doch nicht immer alles so "aufzubauschen".
Nur: Die Folgen dieser Entwicklung sind fatal. Das Ansehen der Politiker in der Öffentlichkeit sinkt weiter, genau so wie die Wahlbeteiligung und der Rückhalt für die Demokratie im allgemeinen.

Diese Art von Politik(er)verdrossenheit wird nicht einmal mehr, wie vor einigen Jahren noch, von der Politik mit entsprechender Besorgnis gewürdigt. Man hat den Eindruck, dieser  Mangel an öffentlichen Interesse wird von der Politik sogar noch willkommen geheißen. Im Dunkeln ist halt gut Munkeln.

Man endet bei der Grundannahme, dass 95% aller Politiker kriminell sind, auf die ein oder andere Weise, die restlichen 5% sind unbelehrbare Idealisten. In regelmäßigen Abständen erhalten wir durch den ein oder anderen Skandal die Bestätigung dieser Prämisse.
Und trotzdem spielen wir weiter bei der Demokratie-Farce mit und legen alle paar Jahre unser Schicksal in die Hände von  Menschen, denen wir nicht nur nicht vertrauen, sondern die wir samt und sonders für potentielle Straftäter halten. Wir überlassen das Recht und die Regeln, nach denen wir leben, dazu Bildung, Renten, Finanzen und das Kommando über Polizei und Militär Leuten, denen wir nicht mal eine Tafel Schokolade anvertrauen würden.

Wie absurd ist DAS DENN BITTE?


Links:
Der Artikel auf Spiegel Online
Info zur UN-Konvention gegen Korruption

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